Fragen und Antworten des BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung vom 16. Mai 2022
Vergiftungen mit Ciguatoxinen nach Genuss einer Seefischmahlzeit sind in Deutschland selten. Ciguatera, wie das Krankheitsbild genannt wird, gehört aber weltweit betrachtet zu den häufigsten Fischvergiftungen, die keinen bakteriellen Ursprung haben. Vor dem Hintergrund der Ausweitung des globalen Handels mit Seefisch aus allen Weltmeeren ist deshalb künftig auch in Deutschland mit einem Anstieg von Ciguatera-Fällen zu rechnen. Aufgrund wiederholter Ciguatera-Ausbrüche in Deutschland hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung) Fragen und Antworten zu Fischvergiftungen mit Ciguatoxinen zusammengestellt.
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[Accordion] Ciguatera: Vergiftungen durch Ciguatoxine (Algentoxine) aus Seefisch und Meeresfrüchten
Ciguatoxine zählen zu den marinen Biotoxinen („Algentoxinen“). Sie werden von sogenannten Dinoflagellaten (einzellige Algen) der Gattungen Gambierdiscus und Fukuyoa gebildet, die zum Phytoplankton zählen und somit eine Nahrungsquelle für pflanzenfressende Seefische und wasserfiltrierende Meerestiere sind. Die beiden Gattungen treten vor allem in warmen marinen Gewässern in den Tropen und Subtropen auf. Ciguatoxin-bildende Algenarten kommen zunehmend auch im Mittelmeerraum vor. Jüngere Friedfische weisen tendenziell geringere Gehalte an Ciguatoxinen auf als ältere Raubfische.
Als Ciguatera bezeichnet man das durch Ciguatoxine ausgelöste Krankheitsbild (auch: Ciguatoxin-Vergiftung). Die Erkrankung geht mit einer großen Vielfalt klinischer Symptome einher. Spezifisch für Ciguatera ist ein umgekehrtes Heiß-Kalt-Empfinden oder das Auftreten von Schmerzen bei Kontakt mit kaltem Leitungswasser.
Die durch Ciguatoxine vermittelte Toxizität beruht auf der Bindung der Toxine an Natrium-Ionenkanäle (auch: Natriumkanäle), die in der Zellmembran vorkommen. Die Kanäle gewährleisten ein kontrolliertes Einströmen von Natriumionen in die Zelle, was bei der Reizweiterleitung in Nervenzellen eine wichtige Rolle spielt. Die Öffnungszeitfenster betragen wenige Millisekunden. Substanzen wie die Ciguatoxine können Natriumkanäle längere Zeit aktivieren (öffnen). Dies führt zu einem unkontrollierten Einströmen der Natriumionen in die Zelle. Die Folge ist eine gestörte Reizweiterleitung in Nervenzellen.
Die Erkrankung geht mit einer großen Vielfalt klinischer Symptome einher, die in einem Zeitraum von wenigen Minuten bis 48 Stunden nach einer Fischmahlzeit oder dem Verzehr von Meeresfrüchten auftreten können. Hierzu zählen gastrointestinale (z. B. Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, krampfartige Bauchschmerzen), sowie neurologische (z.B. Muskel- und Gelenkschmerzen, Juckreiz) und kardiovaskuläre Symptome (z.B. Hypotonie, sehr selten Herzrhythmusstörungen). Für eine Ciguatoxin-Vergiftung typisch sind ein umgekehrtes Heiß-Kalt-Empfinden sowie das Auftreten von Schmerzen bei Kontakt mit kalten Gegenständen. Einige Symptome können mehrere Monate anhalten. Bei Aufnahme von bestimmten Lebens- und Genussmitteln (z. B. Alkohol, Kaffee) sowie durch andere äußere Einflüsse (z. B. Hitze, körperliche Aktivität) können abgeklungene Symptome erneut auftreten. Bei wiederholter Aufnahme von Ciguatoxinen können die Symptome mit höherer Intensität auftreten.
Suchen Sie ärztliche Hilfe auf und erwähnen Sie ihren Verdacht auf eine Ciguatoxin-Vergiftung (Ciguatera). Wenn möglich, heben Sie die Reste der verzehrten Mahlzeit auf. Anhand dieser kann ein Nachweis von Ciguatoxinen als Bestätigung erfolgen. Bei den Giftinformationszentren der Länder können Sie sich zu jeder Zeit („rund um die Uhr“) telefonisch fachkundigen ärztlichen Rat einholen.
Da Ciguatoxine zu keinen veränderten sensorischen Eigenschaften (Aussehen, Geruch, Geschmack, Konsistenz) führen, können Verbraucherinnen und Verbraucher nicht erkennen, ob das Fischfleisch Ciguatoxine enthält. Ciguatoxine können nur im Labor nachgewiesen werden.
Ciguatoxine sind sehr stabil. Weder das Erhitzen von Seefisch oder Meeresfrüchten (z. B. Kochen, Braten) noch das Einfrieren führen zu einem Rückgang des Ciguatoxin-Gehaltes. Auch die andere Lagerungs- Behandlungs- oder Zubereitungsarten wie z. B. Säuern haben keinen Einfluss auf den Ciguatoxin-Gehalt.
Tendenziell treten Ciguatoxine in bestimmten Fischarten aus tropischen und subtropischen Fangregionen auf. Betroffen sind Regionen mit Korallenriffen. Es kann vorkommen, dass Fische in einem Riff stark mit Ciguatoxinen belastet sind, während sich bei Fischen in direkter Nachbarschaft kein Toxin nachweisen lässt. Besonders betroffen sind Raubfische wie Barrakudas, Makrelen, Snapper und Zackenbarsche, soweit sie küstennah leben. Fischfilet weist in der Regel aufgrund des geringeren Fettgehalts niedrigere Ciguatoxin-Gehalte auf als Fischleber, Fischrogen oder Fischköpfe.
Bei Fischen aus kälteren Gewässern wie dem Nordatlantik oder dem (Nord)Pazifik ist eine Ciguatoxinbelastung unwahrscheinlich.
Generell können Konsumentinnen und Konsumenten von Seefisch oder Produkten daraus sowie von Meeresfrüchten gegenüber Ciguatoxinen exponiert werden. Ciguatoxine treten tendenziell in bestimmten Fischarten aus tropischen und subtropischen Fangregionen auf. Konsumenten von Produkten aus den genannten Regionen können stärker gefährdet sein, eine Ciguatera-Vergiftung zu erleiden als Konsumenten, die keine derartigen Produkte verzehren.
Besonders betroffen sind Raubfische wie Barrakudas, Makrelen, Snapper und Zackenbarsche, soweit sie küstennah leben. Fischfilet weist in der Regel aufgrund des geringeren Fettgehalts niedrigere Ciguatoxin-Gehalte auf als Fischleber, Fischrogen oder Fischköpfe.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSAkurz fürEuropean Food Safety Authority (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit)) hat im Rahmen einer wissenschaftlichen Stellungnahme aus dem Jahr 2010 das durch den Verzehr von Fisch und Meeresfrüchten mögliche gesundheitlich Risiko durch Toxine der Ciguatoxingruppe bewertet. Aufgrund der unzureichenden Datenlage konnte das zuständige Gremium jedoch keine gesundheitsbasierten Richtwerte wie beispielsweise eine akute Referenzdosis (ARfDkurz fürAcute Reference Dose (akute Referenzdosis)) für Ciguatoxine ableiten. Die ARfDkurz fürAcute Reference Dose (akute Referenzdosis) gibt die geschätzte maximale Menge eines Stoffes an, die im Verlauf eines Tages bei einer Mahlzeit oder bei mehreren Mahlzeiten ohne erkennbares Gesundheitsrisiko mit der Nahrung aufgenommen werden kann. Sie wird zur Bewertung des gesundheitlichen Risikos, das mit einer akuten (Aufnahme) gegenüber solchen Stoffen verbunden ist, herangezogen. Grundsätzlich können schon sehr geringe Toxinmengen im Fisch oder in Meeresfrüchten beim Menschen Symptome einer Ciguatoxin-Vergiftung verursachen. Eine wiederholte Aufnahme von Ciguatoxinen kann zu einer Verstärkung der auftretenden Symptome führen.
Die sicherste Vermeidungsstrategie ist der Verzicht auf den Verzehr von Seefischen und Meeresfrüchten, insbesondere von selbst gefangenen Fischen und Meeresfrüchten. Köche und Restaurantbetreiber in Regionen, in denen Ciguatoxine häufiger vorkommen, wissen in der Regel, welche Produkte in der jeweiligen Jahreszeit als gesundheitlich unbedenklich einzuschätzen sind. Generell ist Fisch aus der offenen See (entfernt von Korallenriffen) sicherer als küstennah gefangener Fisch. Jüngere Friedfische weisen tendenziell geringere Gehalte an Ciguatoxinen auf als ältere Raubfische.
Seefisch aus den besonders gefährdeten Regionen sollte grundsätzlich nicht von Personen verzehrt werden, bei denen bereits eine Ciguatera-Erkrankung aufgetreten ist, da bei erneuter Aufnahme von Ciguatoxinen die Symptome intensiver auftreten können.
Innerhalb der Europäischen Union sind Ciguatoxine in Fischereierzeugnissen in der Durchführungsverordnung (EU) 2019/627 (Anhang VI, Kapitel 1 G 3.) sowie in der Verordnung (EG) 853/2004 (Abschnitt VIII, Kapitel 5 E 2.) geregelt. Demnach dürfen keine Fischereierzeugnisse in Verkehr gebracht werden, die Ciguatoxine enthalten. Lebensmittelunternehmer, Importeure und Exporteure müssen sicherstellen, dass ihre Produkte den Anforderungen des EU-Rechts genügen.
Über das BfR
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung) ist eine wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMELkurz fürBundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Das BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.
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