Giftpflanzen – Wie kann man sich schützen, und was ist bei einer Vergiftung zu tun?
Pflanzen gehören zu unserer Umwelt. Sie spenden Sauerstoff, sorgen für günstige klimatische Bedingungen und sind ein wichtiger Bestandteil unserer Nahrung. Viele Pflanzen enthalten jedoch Substanzen, die beim Menschen gesundheitsschädliche Wirkungen hervorrufen können. Diese natürlichen Gifte dienen den Pflanzen häufig als Schutzmechanismus gegen Fressfeinde. Sie enthalten eine Vielzahl chemischer Verbindungen, wie Alkaloide, Glykoside, Saponine oder ätherische Öle, die verschiedene Organsysteme wie das Nervensystem oder das Herz-Kreislauf-System des Menschen beeinflussen können.
Die vorliegenden Fragen und Antworten informieren darüber, wie häufig Vergiftungen durch Pflanzen in Deutschland vorkommen und was bei einer potenziellen Vergiftung zu tun ist. Dazu zählt vor allem, bei Verdacht auf eine Vergiftung so schnell wie möglich ein Giftinformationszentrum anzurufen oder eine Ärztin bzw. einen Arzt hinzuzuziehen. Außerdem werden mögliche Symptome erläutert und wie man eine Vergiftung im Vorfeld vermeiden kann.
Wie häufig kommen Vergiftungen mit Pflanzen vor?
Etwa 10 - 15 % aller Anfragen bei Giftinformationszentren (GIZ) beziehen sich auf Pflanzen. So betrafen beispielsweise im GIZ Nord im Jahr 2023 knapp 4800 Anfragen Vergiftungen oder Vergiftungsverdachtsfälle mit Pflanzen (entspricht rund 10 % der gesamten Anfragen), in Freiburg waren es im Jahr 2022 mit 4054 Anfragen 13 %. Damit befinden sich Pflanzen auf Platz 3 der Anfragehäufigkeit, hinter Arzneimitteln und Chemikalien. Am häufigsten sind Kinder betroffen: Die Altersgruppe 0 bis 9 Jahre machte in den letzten Jahren etwa 80 % der Pflanzenexpositionen aus, ein großer Teil davon waren Kleinkinder (1 bis 4 Jahre).
Die meisten Fälle sind nur mit leichten oder gar keinen Symptomen verbunden. Am häufigsten werden Früchte gegessen, doch auch Blätter oder andere Pflanzenteile werden verzehrt oder in den Mund gesteckt.
Was sind die Giftinformationszentren?
Die von den Bundesländern betriebenen Giftinformationszentren beraten Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Kliniken und Ärzte bei Vergiftungen oder Vergiftungsverdacht 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr.
Eine Übersicht der Giftinformationszentren in Deutschland finden Sie hier
Pro Jahr gehen bei den Giftinformationszentren insgesamt rund 280.000 Anrufe zu Vergiftungs- oder Verdachtsfällen ein. Bundesweit zusammengeführt und systematisch ausgewertet werden die Informationen zu den Fällen bisher jedoch nicht. Das soll sich mit dem Nationalen Vergiftungsregister ändern, welches ab dem 01.01.2026 am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) an den Start geht.
Wie häufig kommen schwere Vergiftungen durch Pflanzen vor?
In den meisten Fällen treten nur leichte oder keine Symptome auf, so dass auf eine Behandlung verzichtet werden kann und die Patientinnen und Patienten nur beobachtet werden müssen. Der Anteil an mittleren und schweren Fällen liegt zwischen rund 2 bis 3 %, wobei Todesfälle nur im Einzelfall vorkommen (meist Suizide, vereinzelt Verwechslungen von essbaren Pflanzen mit giftigen Pflanzen).
Was ist zu tun, wenn es zum Kontakt mit einer möglicherweise giftigen Pflanze kam?
Entfernen Sie umgehend alle Reste der Pflanze aus dem Mundraum (Pflanzenreste für den Arztbesuch aufbewahren). Rufen Sie ein Giftinformationszentrum an oder suchen Sie eine Arztpraxis oder eine Klinik auf. Wichtig sind folgende Informationen:
- Um welche Pflanze geht es?
- Welche Teile der Pflanze wurden gegessen? Wieviel wurde gegessen?
- Wie lange ist es her, dass die Pflanzenteile gegessen wurden?
- Alter und Gewicht sind bei Kindern insbesondere bei der telefonischen Beratung eine wichtige Information, um das Vergiftungsrisiko einzuschätzen.
- Nehmen Sie beim Aufsuchen einer Arztpraxis oder einer Klinik die Pflanze/Pflanzenteile mit. Notfalls kann auch Erbrochenes bei der Identifikation helfen. Zusätzlich kann eine Fotodokumentation der Pflanze per Smartphone helfen, z. B. wenn es sich um Bäume oder Sträucher handelt. Teilen Sie der Ärztin oder dem Arzt mit, welche Informationen Ihnen das Giftinformationszentrum gegeben hat.
- Als erste Maßnahme können Sie ein oder zwei Gläser Wasser oder Tee trinken (Verdünnungseffekt). Bitte keine Milch oder Salzwasser verwenden, da Milch die Aufnahme bestimmter Giftstoffe fördern kann und Salzwasser insbesondere für kleinere Kinder lebensgefährlich sein kann. Kein Erbrechen auslösen.
- Weitere Maßnahmen sind ohne vorherige ärztliche Beratung nicht empfehlenswert.
Bei welchen essbaren Pflanzen kommt es häufig zu Verwechslungen mit giftigen Pflanzen?
Bärlauch (Allium ursinum) wird manchmal im Frühjahr als Küchengewürz gesammelt. Da sich die Blätter im Aussehen ähneln, besteht eine Verwechslungsgefahr mit dem giftigen Maiglöckchen (Convallaria majalis) und der sehr giftigen Herbstzeitlosen (Colchicum autumnale). Tödliche Vergiftungen nach Aufnahme der Herbstzeitlosen sind möglich. Bärlauch sollte deshalb nur bei sehr genauer Kenntnis der Unterschiede zu seinen giftigen Doppelgängern eigenständig gesammelt werden.
Weitere Informationen zur Verwechselungsgefahr beim Bärlauch sammeln finden Sie hier:
Der Wiesenkerbel (Anthriscus sylvestris) besitzt einen angenehm würzigen, etwas süßlichen Geschmack und findet ebenfalls Verwendung in der Küche. Aufgrund der Ähnlichkeit zu dem sehr giftigen gefleckten Schierling (Conium maculatum) droht hier eine potentiell tödliche Verwechslungsgefahr. Es ist dringend davon abzuraten, das Gewürzkraut zu sammeln, wenn man nicht sehr gute Kenntnisse in der Pflanzenkunde besitzt.
Weiterhin können beispielsweise der essbare Sauerampfer mit dem giftigen Aaronstab, die Heidelbeere mit der giftigen Tollkirsche und Beinwell mit dem giftigen Roten Fingerhut verwechselt werden.
Wie kann ich mich vor Vergiftungen mit Pflanzen schützen?
Das BfR rät Sammlerinnen und Sammlern, im Zweifelsfall auf den Verzehr von selbstgesammelten Kräutern und Pflanzen zu verzichten.
Generell gilt, dass Pflanzen nur zum Verzehr gesammelt werden, wenn die eigene Pflanzenkenntnis sicher dazu ausreicht, um diese von giftigen Vertretern zu unterscheiden. Eine Alternative ist der Kauf von Gartenkräutern sowie Obst und Gemüse aus kontrolliertem Anbau beim Gemüsehändler. Auch der Kauf von Pflanzen im Fachhandel und der Selbstanbau auf der Fensterbank oder im Garten sind möglich. Kleine Kinder sollten in Natur, Garten und auf dem Balkon stets beaufsichtigt werden und frühzeitig über Gefahren aufgeklärt werden.
Der Ausschuss „Giftigkeit von Pflanzen“ der BfR-Kommission „Bewertung von Vergiftungen“ hat sich mit der Neubewertung des Vergiftungsrisikos durch Pflanzen beschäftigt. Hierzu wurden Anfragen zu Pflanzenexpositionen aus zwei Giftinformationszentren ausgewertet und mit Literaturdaten verglichen. Die Arbeiten des Ausschusses waren u. a. Grundlage für die aktualisierte Fassung der „Liste besonders giftiger Gartenpflanzen und einheimischer Pflanzen in der freien Natur“ im Bundesanzeiger. In dieser Liste sind Pflanzen aufgeführt, die zu mittelschweren und schweren Vergiftungen führen können und nicht an Plätzen angepflanzt werden sollten, die Kindern als Aufenthalts- und Spielort dienen.
Bei der Auswahl geeigneter Pflanzen für den kinderfreundlichen Garten ist es empfehlenswert, auf sehr giftige Pflanzen wie z. B. den Eisenhut (Aconitum napellus) oder besonders hautreizende oder phototoxische Pflanzen wie z. B. Bärenklau-Arten (Heracleum spec.) zu verzichten. Auf der Website der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) kann man sich die Broschüre „Kinderfreundliche Pflanzen“ kostenlos herunterladen.
Die Neubewertung des Vergiftungsrisikos bei Kleinkindern durch Pflanzen sind auch in die BfR-App ‘Vergiftungsunfälle bei Kindern‘ eingeflossen. Diese wurde als Informations- und Nachschlagewerk für Vergiftungsunfälle bei Kindern und für deren Vermeidung entwickelt. Im Notfall kann direkt aus der App ein für das jeweilige Bundesland zuständiges Giftinformationszentrum angerufen werden. Die BfR-App ist für Smartphones mit den Betriebssystemen Android und iOS erhältlich und kann in den jeweiligen App-Stores kostenlos heruntergeladen werden.
Welche Reaktionen sind nach dem Verzehr giftiger Pflanzen möglich?
Die Reaktion auf giftige Pflanzen kann in der Stärke und Art der Symptome sehr unterschiedlich ausfallen.
Häufig treten Verdauungsbeschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchkrämpfe und Durchfälle auf. In einigen Fällen sind schwerwiegendere Symptome möglich, beispielsweise Kreislaufprobleme, Herzrhythmusstörungen, Lähmungserscheinungen, und in sehr seltenen Fällen kann der Verzehr giftiger Pflanzen zum Tod führen.
Können Pflanzen auch über die Haut Vergiftungen verursachen?
Neben Vergiftungen durch orale Aufnahme gibt es auch Pflanzen, die bei Hautkontakt Reizungen verursachen, z. B. Bärenklau oder verschiedene Wolfsmilchgewächse. Dies kann zu Hautausschlag, Juckreiz, Brennen und Schwellungen bis hin zu verbrennungsähnlichen Erscheinungen wie Rötungen oder Blasenbildung führen. In allen Fällen gilt, dass die Hände nach Kontakt so rasch wie möglich gewaschen und damit die Giftstoffe von der Haut entfernt werden sollten.
Prinzipiell kann man zwei unterschiedliche Wirkmechanismen unterscheiden.
Bei Pflanzen wie den Wolfsmilchgewächsen können die Inhaltsstoffe, die sich bei diesen Arten im Milchsaft befinden, selbst reizend wirken. Zu diesen gehören auch Zimmerpflanzen wie der Weihnachtsstern (Euphorbia pulcherrima).
Im anderen Fall wandeln sich die Inhaltsstoffe der Pflanzen bei Sonneneinstrahlung in giftige Stoffe um und bewirken eine stärkere Sonnenempfindlichkeit der Haut mit teils sehr starken, verbrennungsähnlichen Hauterscheinungen. Der Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum) ist z. B. als besonders phototoxisch bekannt. Zu beachten ist allerdings, dass auch Gartenpflanzen wie Petersilie und die Blätter der Karotten sowie viele Zitruspflanzen solche Wirkstoffe enthalten. Handschuhe bei der Gartenarbeit sowie lange Arbeitskleidung können hier schützen. Nach Kontakt sollte direkte Sonneneinstrahlung auf die betroffenen Hautstellen für ein paar Tage vermieden werden.
Ein Sonderfall ist der blaue Eisenhut (Aconitum napellus), der als giftigste Pflanze Mitteleuropas gilt. Während es bei den meisten Pflanzen nach Hautkontakt nur zu lokalen Symptomen kommt, kann der Eisenhut bei längerem Hautkontakt auch systemische Effekte hervorrufen, also Vergiftungserscheinungen, die den ganzen Körper betreffen. Diese Pflanze sollte prinzipiell nur mit Handschuhen berührt werden.
Durch welche Pflanzen kommt es am häufigsten zu Vergiftungen?
Zu den am häufigsten angefragten Pflanzen mit mittelschwerem Vergiftungsrisiko gehören Eibe, Holunder, Maiglöckchen, ungekochte Gartenbohnen, Goldregen, Aronstab, Narzissen, Lebensbaum (Thuja), Wolfsmilchgewächse, Wilder Wein und Oleander.
Die häufigsten Anfragen zu Pflanzen mit schwerem Vergiftungsrisiko betreffen Eisenhut, Herbstzeitlose, Tollkirsche, Schierling, Stechapfel sowie Rizinus und Engelstrompete.
Nicht zu vergessen ist, dass auch manche essbaren Pflanzen in unreifem oder ungegartem Zustand zu Vergiftungen führen können. Oft treten dann Magen-Darm-Beschwerden wie Bauchschmerzen, Übelkeit, Durchfall und Erbrechen auf. Beispiele hierfür sind Kartoffeln, Bohnen und Holunderbeeren.