Fragen und Antworten zu Milzbrand: Kann der Erreger Bacillus anthracis über Lebensmittel übertragen werden?
Aktualisierte FAQ des BfR vom 23. Januar 2025
Milzbrand wird in erster Linie durch den Erreger Bacillus (B.) anthracis hervorgerufen. Es handelt es sich um eine zoonotische Erkrankung. Das bedeutet, dass der Erreger zwischen Menschen und Tieren übertragen werden kann. B. anthracis kommt im Boden vor und löst vorwiegend bei weidenden Tieren Erkrankungen aus. Das Bakterium kommt endemisch (das bedeutet, dass das Bakterium in den Tierbeständen vorhanden ist) in Lateinamerika, Asien und Afrika, insbesondere in warmen Gegenden, vor. Auch in europäischen Ländern ist B. anthracis verbreitet, wenn auch nicht so häufig feststellbar wie auf anderen Kontinenten. In Deutschland treten vereinzelt Milzbranderkrankungen bei Wiederkäuern auf.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat Fragen und Antworten zum gesundheitlichen Risiko erstellt, das von Lebensmitteln ausgehen kann, die von Wiederkäuern aus mit B. anthracis infizierten Beständen gewonnen wurden.
Was ist Bacillus (B.) anthracis?
B. anthracis gehört zur Gattung Bacillus. Es ist ein grampositives und sporenbildendes Stäbchenbakterium und wächst aerob (bei Anwesenheit von Sauerstoff) oder fakultativ anaerob (ohne Sauerstoff). B. anthracis kommt im Boden vor. Das Bakterium löst vorwiegend bei weidenden Tieren Erkrankungen aus. Vegetative Formen von B. anthracis (so bezeichnet man die lebenden, vermehrungsfähigen Bakterien) verlieren außerhalb des menschlichen oder tierischen Gewebes die Virulenz (ihre krankmachende Wirkung) und haben geringe Überlebenschancen. Beim Tod eines infizierten Tieres und durch Austrocknung der Körperflüssigkeiten bilden sich widerstandsfähige Dauerformen, die sogenannten Anthraxsporen.
Was ist Milzbrand?
Als Milzbrand oder Anthrax werden Erkrankungen bezeichnet, die in erster Linie durch eine Infektion mit B. anthracis ausgelöst werden. Darüber hinaus können Milzbrandtoxin-bildende Bacillus cereus-Stämme zu Erkrankungen mit vergleichbaren Symptomen führen. Solche ungewöhnlichen Bacillus cereus-Stämme wurden bislang in verschiedenen tierischen Proben in afrikanischen Ländern, einer tierischen Probe in China sowie sehr selten in menschlichen Proben in den USA nachgewiesen. Bei Milzbrand handelt es sich um eine weltweit verbreitete Zoonose. Das bedeutet, dass eine Übertragung des Erregers zwischen Menschen und Tieren möglich ist.
Wo kommt B. anthracis vor?
B. anthracis ist ein weltweit verbreiteter Zoonoseerreger und kommt endemisch (das bedeutet, dass das Bakterium in den Tierbeständen vorhanden ist) in Lateinamerika, Asien und Afrika, insbesondere in warmen Gegenden, vor. Auch in europäischen Ländern ist das Bakterium verbreitet, wenn auch nicht so häufig feststellbar wie auf anderen Kontinenten. Als Hauptreservoir vegetativer (vermehrungsfähiger) Zellen werden pflanzenfressende Nutz- und Wildtiere angesehen. Milzbrandsporen (widerstandsfähige Dauerformen) sind gegenüber Hitze und Desinfektionsmitteln resistent und können so als Umweltkeime im Erdboden Jahrzehnte überdauern.
Welche Tiere sind betroffen?
Pflanzenfressende Tiere, insbesondere Haus- und Wildwiederkäuer, sind hochempfindlich für eine Erkrankung durch den Milzbranderreger. In der Regel erfolgt die Aufnahme des Erregers über Futter, das mit aus dem Erdreich stammenden Milzbrandsporen verunreinigt ist. In den letzten drei Jahrzehnten kam es auch in Deutschland zu einzelnen Ausbrüchen von Milzbrand, hauptsächlich bei Rindern. Auch Fleischfresser wie Hunde- und Katzenartige können sich durch Fressen von infizierten Kadavern anstecken.
Wie kann sich der Mensch mit B. anthracis infizieren?
Milzbrand tritt beim Menschen in verschiedenen Verlaufsformen auf. Hautmilzbrand kann durch direkten Kontakt der Haut mit erregerhaltigen Materialien von Tieren, wie z. B. Häuten, Organen, Fellen, Wolle, Knochen oder Knochenmehl, ausgelöst werden. Bei der pulmonalen Form (Lungenmilzbrand) werden die Sporen durch Einatmen von Staub oder Aerosolen aufgenommen, während Darmmilzbrand nach Verzehr von hochgradig kontaminiertem Fleisch oder Innereien sowie von Wasser beobachtet wurde. Injektionsmilzbrand kann durch die Injektion einer mit Milzbrandsporen verunreinigten Substanz hervorgerufen werden. Fälle von Injektionsmilzbrand wurden in der Vergangenheit im Zusammenhang mit dem intravenösen Konsum von verunreinigtem Heroin beschrieben.
Wie lange kann die Inkubationszeit beim Menschen dauern?
Die Inkubationszeit, also die Zeit von der Infektion bis zum Auftreten von Krankheitssymptomen, ist abhängig vom Übertragungsweg und von der Menge der aufgenommenen Erreger. Sie liegt zwischen wenigen Stunden und einigen Tagen, kann aber auch noch länger dauern.
Wie äußert sich eine Infektion mit B. anthracis?
Bei allen Verlaufsformen können schwere Allgemeinsymptome, hohes Fieber, Benommenheit, Herzrhythmus- und Kreislaufstörungen bis zum Schock ausgelöst werden. Hautmilzbrand äußert sich in Form von Papeln mit Rötung und Schwellung, gefolgt von flüssigkeitsgefüllten Bläschen, die in schorfbedeckte nekrotische Geschwüre („Milzbrandkarbunkel“) übergehen. Bei der sehr seltenen pulmonalen Form (Lungenmilzbrand) kann es nach einem unspezifischen Anfangsstadium mit Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen innerhalb von 1 bis 3 Tagen zu einem schweren Krankheitsbild kommen, das mit Blutvergiftung, Lungen- und Herz-Kreislauf-Versagen einhergehen kann.
Beim Darmmilzbrand kann sich das Krankheitsbild durch zwei Verlaufsformen bemerkbar machen. Die oropharyngeale Form (dabei sind Mund und Rachen betroffen) beginnt mit Halsschmerzen, Schluckbeschwerden, Geschwürbildung im Mund oder der Speiseröhre. Es folgen eine ausgeprägte Erkrankung der Lymphknoten, Ödeme und Sepsis. Die abdominale Form zeichnet sich durch Fieber, Müdigkeit und Unwohlsein, später dann durch starke Bauchschmerzen, blutigen Durchfall, Bauchfellentzündung und Sepsis bis hin zum Herz-Kreislauf-Versagen aus.
Beim Injektionsmilzbrand entwickeln sich typischerweise ausgedehnte Haut-Weichteilinfektionen mit Rötung, Schwellung und massiver Ödembildung. In der Region der Einstichstelle können betroffene Hautareale absterben (nekrotisierende Fasziitis).
Eine Milzbrand-Meningitis kann sich aus allen Milzbrandformen entwickeln. Sie äußert sich durch eine rapide Verschlechterung des Allgemeinzustandes bei den Patientinnen und Patienten und wird durch plötzlich auftretende Kopfschmerzen, hohes Fieber, Muskelschmerzen, Zittern und Verwirrtheit begleitet.
Können Lebensmittel mit B. anthracis belastet sein?
Werden Tiere aus infizierten Beständen geschlachtet, können B. anthracis und Anthraxsporen auf das Fleisch und in daraus hergestellte Produkte gelangen. Bei der Schlachtung von klinisch gesunden Tieren sind die übertragbaren Erregermengen allerdings erwartungsgemäß sehr gering. Massive Erregermengen werden erst im Stadium einer Bakteriämie, d. h., wenn die Bakterien über das Kreislaufsystem infizierter Tiere verbreitet werden, während der akuten oder perakuten Erkrankungsphase (so bezeichnet man ein sehr schnell und schwer verlaufendes Krankheitsgeschehen) freigesetzt. Darüber hinaus kann es im Zuge der Verarbeitungsschritte des Fleisches zu Fleischerzeugnissen zu einer Reduzierung vorhandener Erreger kommen, z. B. durch Erhitzung oder Säuerung. Außerdem ist die für eine Übertragung auf den Menschen durch Lebensmittel notwendige Menge an B. anthracis nach derzeitiger Kenntnis sehr hoch.
In Deutschland wurde Milzbrand beim Menschen in den letzten zwei Jahrzehnten nur vereinzelt diagnostiziert. Auch Berichte über Milzbrandausbrüche bei Wiederkäuern sind selten. Deshalb schätzt das BfR zusammenfassend die Wahrscheinlichkeit, nach Verzehr von in Deutschland hergestellten Lebensmitteln an Milzbrand zu erkranken, derzeit als sehr gering ein.
Wie kann B. anthracis abgetötet werden?
Vegetative Formen von B. anthracis sterben bei küchentechnischen Garverfahren und durch gängige Desinfektionsmethoden leicht ab. Anthraxsporen sind jedoch sehr resistent gegen Hitze, Trockenheit, Tiefgefrieren und die übliche Trinkwasserchlorierung. Außerdem besitzen sie eine ausgeprägte Desinfektionsmittelresistenz. Die Sporen werden erst bei 100 °C für 15 Minuten oder beim Autoklavieren inaktiviert. Starke Sonneneinstrahlung über einen längeren Zeitraum kann die Sporenmengen reduzieren. Zur Desinfektion sind nur sporizide Desinfektionsmittel geeignet. Weitere Informationen zu geeigneten Desinfektionsmitteln und Inaktivierungsverfahren für Anthraxsporen sind beispielsweise in folgenden Quellen zu finden: „Richtlinie über Mittel und Verfahren für die Durchführung der Desinfektion bei bestimmten Tierseuchen“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft und des Friedrich-Loeffler-Instituts, „Australian Veterinary Emergency Plan (AUSVETPLAN)“, „Technical Fact Sheets“ der Iowa State University, „Terrestrial Code“ der World Organisation for Animal Health sowie auf der Internetseite des Robert Koch-Instituts.
Welche Personengruppen sind besonders gefährdet, an Milzbrand zu erkranken?
Personen, die in Schlachtbetrieben mit Tieren aus mit B. anthracis infizierten Beständen in Kontakt kommen, sind eher gefährdet als andere Personengruppen. Milzbrand-Erkrankungen beim Menschen sind jedoch in den meisten Industrienationen sehr selten. Denkbar wäre eine Infektion über die Haut durch Kontakt mit den Schlachttieren oder dem Fell, mit Fleisch, Blut, Knochen oder weiteren Nebenprodukten dieser Tiere. Diese Form der Infektion könnte außerdem bei Personen auftreten, die in der Zerlegung oder Verarbeitung tätig sind, da diese Tätigkeiten mit einem höheren Verletzungsrisiko und damit mit dem Auftreten von Hautläsionen (Hautschäden) verbundenen sind. Eine Infektion über die Atemwege tritt natürlicherweise noch seltener auf, beispielsweise bei der Verarbeitung kontaminierter Wolle oder Felle in geschlossenen Räumen.
Unter welchen Bedingungen kann sich B. anthracis vermehren?
In einer nährstoffreichen Umgebung, wie z. B. in Blut oder Lymphe eines infizierten Weidetieres, keimen die Sporen bei 8–45 °C und in einem pH-Bereich von 5–9 aus, so dass sich die vegetative Form der Bakterien im Temperaturbereich zwischen 22–42 °C vermehren kann. Unter bestimmten Bedingungen (optimale Temperatur- und pH-Werte sowie möglichst geringe Begleitflora) ist auch eine Vermehrung im Lebensmittel möglich.