Alternativmethoden ersetzen Tierversuche: 20 Jahre erfolgreiche Arbeit der ZEBET am BfR
26/2009, 26.10.2009
ZEBET begeht Jubiläum mit internationalem Symposium am BfR in Berlin
Mit einem Symposium begeht die Zentralstelle zur Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch (ZEBET) am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin heute ihr 20-jähriges Jubiläum. Bei ihrer Gründung im Jahr 1989 war die ZEBET weltweit die erste staatliche Forschungseinrichtung mit der Aufgabe, Tierversuche zu ersetzen. Aufgrund ihrer Erfolge gibt es heute in anderen europäischen Ländern, Japan und den USA ähnliche Zentren. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dieser Einrichtungen diskutieren auf dem Symposium über die Zukunft von Alternativmethoden zum Tierversuch. So zielt ein Projekt der US-Regierung unter dem Titel „Toxicology in the 21st Century“ darauf ab, bei der Prüfung der Sicherheit von Chemikalien für Menschen vollständig auf Tierversuche zu verzichten. „Zu Beginn des 21. Jahrhunderts stehen wir vor der Herausforderung, Alternativmethoden zu entwickeln und zu validieren, die nicht nur ohne Versuchstiere auskommen, sondern gleichzeitig viel zuverlässigere Aussagen über die Wirkung von chemischen Stoffen auf den Menschen treffen können“, sagt Professor Dr. Dr. Andreas Hensel, Präsident des BfR. Dies ist umso bedeutsamer, als nach In-Kraft-Treten der europäischen Chemikaliengesetzgebung REACH alle auf dem Markt befindlichen und bisher nicht hinreichend bewerteten chemischen Stoffe im Hinblick auf die Sicherheit für Verbraucherinnen und Verbraucher bewertet werden müssen.
Chemikalien, Kosmetika, Pflanzenschutzmittel und Arzneimittel müssen für Verbraucher sicher sein. Dazu müssen die Inhaltsstoffe auf unerwünschte Wirkungen getestet werden. Dies geschieht überwiegend mit Tierversuchen. Wo immer es zuverlässige Alternativen gibt, müssen diese anstelle der Tierversuche angewendet werden. Bereits 1959 haben die englischen Wissenschaftler Bill Russell und Rex Burch ein wissenschaftliches Konzept zum Ersatz von Tierversuchen entwickelt, das sogenannte „3R-Prinzip“. Danach muss eine Alternativmethode mindestens eine der drei folgenden Anforderungen erfüllen:
- das Leiden und die Schmerzen der Versuchstiere werden vermindert („Refinement")
- die Zahl der Versuchstiere wird reduziert („Reduction“)
- durch ihre Anwendung werden Tierversuche ersetzt („Replacement“)
50 Jahre nachdem das 3R-Prinzip entwickelt wurde, ist es heute die allgemein anerkannte wissenschaftliche Grundlage für die Forschung zur Verminderung von Tierversuchen. Auch dieses Jubiläum bildet einen Schwerpunkt des Symposiums.
Als die ZEBET 1989 gegründet wurde, gab es keine tierversuchsfreie toxikologische Prüfmethode, die in Deutschland, Europa oder weltweit von Behörden für die Prüfung von chemischen Stoffen oder Produkten akzeptiert wurde. Bereits 1990 wurde gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Europa und den USA ein wissenschaftliches Konzept für die experimentelle Validierung toxikologischer Prüfmethoden entwickelt, das als Grundlage für den Leitfaden Nr. 34 der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) diente und weltweit anerkannt ist.
Die Gründung der ZEBET stand im engen Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der EU-Richtlinie zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (86/608/EWG) aus dem Jahr 1986 und des 1987 novellierten deutschen Tierschutzgesetzes. In Deutschland dürfen danach Tierversuche nur durchgeführt werden, wenn sie unerlässlich und im Hinblick auf den Versuchszweck ethisch vertretbar sind. Dementsprechend ist die ZEBET mit einem sehr breiten Aufgabenspektrum beauftragt. Die ZEBET ist für die Dokumentation und Bewertung von Alternativmethoden zum Tierversuch verantwortlich und hat hierfür die kostenfreie, über das Internet zugängliche Datenbank AnimAlt-ZEBET in englischer Sprache aufgebaut. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der ZEBET beantworten Anfragen aus Behörden, Wissenschaft, Tierschutz, Industrie und der Verbraucherschaft rund um das Thema Alternativen zum Tierversuch auf nationaler und internationaler Ebene. Im Zuge der Revision der EU-Richtlinie 86/609, die den Umgang mit Versuchstieren regelt, steht die ZEBET dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) beratend zur Seite.
Seit 1990 fördert die ZEBET in Deutschland Forschungsprojekte und forscht selbst zur Entwicklung und Validierung von tierversuchsfreien Alternativmethoden. Einige dieser neuen Methoden sind bereits international anerkannt und in den Richtlinien der EU und der OECD als offizielle Prüfmethoden verankert. Wegen der internationalen öffentlichen Kritik an Tierversuchen zur Entwicklung von Kosmetika hat sich die ZEBET besonders mit Alternativmethoden zur Verträglichkeitsprüfung an Haut und Auge beschäftigt. Dafür kann heute anstelle von Kaninchen rekonstruierte menschliche Haut eingesetzt werden. Darüber hinaus entwickeln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der ZEBET Alternativmethoden zur Vorhersage entwicklungstoxischer Eigenschaften: Mit Hilfe embryonaler Stammzellen prüfen sie, ob Chemikalien und Arzneimittel bei einer Anwendung in der Schwangerschaft Embryonen schädigen können.
Der von der ZEBET in Zusammenarbeit mit der Industrie entwickelte Zellkulturtest auf phototoxische Eigenschaften - das heißt, ob ein Stoff durch Sonnenlicht aktiviert wird und dadurch im Körper giftig wirkt - hat heutzutage bei der Prüfung neuer Arzneimittel und Chemikalien den Tierversuch vollständig ersetzt. Chemische Stoffe werden mittlerweile nur noch an menschlichen Hautmodellen auf ätzende und reizende Eigenschaften an der Haut getestet, während bis vor kurzem noch Tests an Kaninchen dafür vorgeschrieben waren. Auch die Testung auf Augen reizende Eigenschaften chemischer Stoffe ist heute teilweise mit Alternativmethoden möglich. Dabei könnten rekonstruierte menschliche Hornhautmodelle nach Abschluss aller Studien einen Beitrag dazu zu leisten, auch die letzten noch vorgeschriebenen Tests am Kaninchenauge zu ersetzen.
In Europa wird die Entwicklung von Alternativmethoden durch die Kosmetik- und Chemikaliengesetzgebung gefördert, die auf den Ersatz von Tierversuchen in den nächsten fünf bis zehn Jahren abzielt. Die National Institutes of Health (NIH) der USA fördern seit dem vergangenen Jahr ein großes Schwerpunktprogramm mit dem Namen „Toxicology in the 21st Century“, das die Vorhersage unerwünschter Nebenwirkungen von Arzneimitteln und anderen Chemikalien für den Menschen ohne Tierversuche zum Ziel hat. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse aus dem Tierversuch auf den Menschen ist häufig unbefriedigend. Stattdessen sollen molekularbiologische und molekulargenetische Methoden mit menschlichen Zellen und Geweben und zum Beispiel mit Einzellern, Fliegen und Fischen sowie Computermodelle entwickelt werden.