Warten auf das Biozidgesetz: Freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie hat wenig zum Verbraucherschutz beigetragen
29/2001, 21.09.2001
1997 unterschrieben die Verbände der Chemischen Industrie, der Deutschen
Bauchemie und der Lackindustrie auf Drängen des Bundesministeriums für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit eine freiwillige
Selbstverpflichtung, die darauf zielte, Holzschutzmittel für den
Anwender sicherer zu gestalten. Nach vier Jahren zieht das
Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und
Veterinärmedizin eine negative Bilanz: Zur Sicherheit des Verbrauchers
hat die Selbstverpflichtung kaum beigetragen. Von zahlreichen Maßnahmen,
die zur Verbesserung des Verbraucher- und Umweltschutzes getroffen
werden sollten, wurde kaum eine umgesetzt. Für den Verbraucher bedeutet
das: Finger weg von (ungeprüften) Holzschutzmitteln! - Erst die
Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht wird für den Verbraucher
die erforderliche Sicherheit im Umgang mit Holzschutzmitteln bringen.
In Deutschland sind rund 1.500 verschiedene Holzschutzmittel auf dem
Markt. Eine allgemeine gesetzliche Zulassungspflicht für diese Mittel
gibt es nicht. Die überwiegende Zahl der Produkte wurde weder auf ihre
Wirksamkeit, noch auf ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit und
Umweltverträglichkeit geprüft. Den Wirkstoff kennt oft nur der
Hersteller und bei etlichen Produkten muss man davon ausgehen, dass sie
einer Prüfung auf Wirksamkeit, gesundheitliche Unbedenklichkeit und
Umweltverträglichkeit nicht standhalten würden. Chemische
Holzschutzmittel wirken, weil sie für Holzschädlinge giftig sind. Eine
Substanz, die in einer bestimmten Dosis für ein Insekt tödlich ist, kann
in größerer Menge und bei längerer Einwirkzeit auch für höher
entwickelte Lebewesen gefährlich sein. Unter bestimmten Umständen gilt
das auch für den Menschen. Die beobachteten Wirkungen reichen von akuten
Vergiftungsfällen bis hin zu Gesundheitsstörungen nach längerer
Exposition, für die diffuse Beschwerdebilder beschrieben sind.
Bis zur Unterzeichnung der Selbstverpflichtung gab es in Deutschland für
Holzschutzmittel zwei Prüfverfahren: Die bauaufsichtliche Zulassung für
Holzschutzmittel für tragende und aussteifende Bauteile durch das
Deutsche Institut für Bautechnik, Berlin (DIBt), und das freiwillige
RAL-Gütezeichen-Verfahren der Gütegemeinschaft Holzschutzmittel e.V. für
vorbeugend wirkende Holzschutzmittel zur Anwendung bei nicht tragenden
Holzbauteilen. Produkte, die diese Verfahren positiv durchlaufen haben,
stehen für geprüfte Wirksamkeit, gesundheitliche Unbedenklichkeit und
Umweltverträglichkeit bei sachgerechter Anwendung und gesicherter
Qualität. Trotz mehrjähriger Tradition hat sich das Gütesiegel im Markt
aber nicht durchsetzen können: Noch immer tragen weniger als ein Drittel
aller Produkte im Handel das RAL-Zeichen. Neben dem geringen
Bekanntheitsgrad dürfte der im Vergleich oft höhere Preis für ein
Qualitätsprodukt ein Grund dafür sein, dass Verbraucher bevorzugt auf
preiswertere (ungeprüfte) Produkte ausweichen.
Vor diesem, aus Sicht des Verbraucherschutzes unbefriedigenden
Hintergrund hatten sich die Verbände der Industrie bei ihrer
Selbstverpflichtung hohe Ziele gesetzt: Holzschutzmittel sollten nicht
mehr zur vorbeugenden Anwendung im Innenraum abgegeben werden, weil
dieser wegen der chronischen Exposition des Verbrauchers aus
gesundheitlicher Sicht besonders kritisch zu bewerten ist.
Holzschutzmittel mit biozider (holzzerstörende Organismen abtötender)
Wirkung sollten an den privaten Anwender nur noch dann abgegeben werden,
wenn sie mit dem RAL-Gütezeichen ausgezeichnet sind. Die Produkte
sollten außerdem den deutlichen Hinweis tragen, dass missbräuchliche
Anwendung zu Gesundheits- und Umweltschäden führen kann. Auf
verharmlosende Angaben, wie „umweltfreundlich“, „gesundheitlich
unbedenklich“, „bio-„, „öko-„ etc., sollte in Zukunft verzichtet werden.
Und schließlich sollte an die Seite des RAL-Verfahrens ein
(vereinfachtes) Registrierverfahren für Bläueschutzmittel treten, das
Produkte durchlaufen konnten, die einer auf Wirksamkeit und
gesundheitliche Unbedenklichkeit geprüften Rahmenrezeptur entsprachen.
Mit der Einführung dieses Registrierverfahrens und den bereits
praktizierten Prüfverfahren für Holzschutzmittel beim DIBt und der
Gütegemeinschaft Holzschutzmittel e.V., sollten etwa 80% des
Holzschutzmittelmarktes einer amtlichen Prüfung unterzogen werden.
Ein Blick von Mitarbeitern des BgVV in die Bau- und Heimwerkermärkte war
jedoch ernüchternd: Die meisten Verkäufer hatten von einem
RAL-Gütesiegel noch nie etwas gehört, obwohl vereinzelt Produkte in den
Regalen standen. Das Registrierverfahren haben bis heute gerade mal 23
Produkte durchlaufen und nur eins davon fanden die Mitarbeiter des BgVV
im Handel. Viele der Holzschutzmittel zur Anwendung durch den Laien
trugen stattdessen die im Rahmen der Selbstverpflichtung „verpönten“
Hinweise auf „gesundheitliche Unbedenklichkeit“, „Umweltfreundlichkeit“,
„Eignung zur Anwendung im Außen- und Innenbereich“ oder wurden gar damit
beworben, dass sie frei seien von „Pentachlorphenol und Lindan“, obwohl
die Anwendung von Pentachlorphenol (PCP) in Deutschland seit Jahren
verboten ist.
Gefragt nach Argumenten, weshalb die Umsetzung der freiwilligen
Selbstverpflichtung nicht den erhofften Erfolg gebracht hätte, äußert
die Industrie Bedauern, verweist auf den Kampf um Marktanteile und auf
das Interesse der Verbraucher an möglichst preiswerten Produkten.
In anderen Bereichen der Wirtschaft mögen sich freiwillige
Selbstverpflichtungen der Industrie als geeignete Instrumente der
Umweltpolitik erwiesen haben – zur Sicherung des gesundheitlichen
Verbraucherschutzes bei der Anwendung von Holzschutzmitteln muss das
Experiment als gescheitert angesehen werden. Der vom BgVV mit Nachdruck
gegebene Rat, auf die Anwendung von Holzschutzmitteln im Innenraum
völlig zu verzichten und im Außenbereich auf ein notwendiges Maß zu
begrenzen, weil die Mittel Gesundheits- und Umweltgefahren bergen
können, lässt die Bedürfnisse der Verbraucher ganz offensichtlich außer
acht. Das zeigt die große Zahl der im Handel angebotenen und gekauften
Produkte. Im Bereich der Holzschutzmittel kann der Schutz des
Verbrauchers deshalb nur durch eine zügige Umsetzung der europäischen
Biozid-Richtlinie in deutsches Recht gewährleistet werden!