Haltlose Vorwürfe gegen wissenschaftliche Bewertungsbehörden
40/2017, 05.10.2017
Plagiatsvorwürfe zur Risikobewertung von Glyphosat zeugen von Unkenntnis der gesetzlichen und international üblichen Verfahren
Deutschland hat für das europäische Genehmigungsverfahren von Glyphosat als Berichterstatter in seinem Bericht sowohl die gesetzlich vorgeschriebenen Studien der Antragsteller als auch alle weiteren relevanten und verfügbaren Studien sorgfältig gemäß den gesetzlich etablierten Verfahren geprüft und bewertet. Es ist dabei üblich und anerkannt, dass die Bewertungsbehörden nach kritischer Prüfung der Originalstudien auch Passagen aus eingereichten Dokumenten in ihre Bewertungsberichte integrieren. Auch Teile des Bewertungsberichtes Deutschlands enthalten deshalb derartige Textteile aus Studienbeschreibungen und öffentlich zugänglicher Literatur, die von den Antragstellern als Teil der gesetzlich geforderten Dossiers eingereicht werden mussten. Diese allgemeine, national und international übliche und anerkannte Vorgehensweise, die nicht nur bei Pflanzenschutzmitteln sondern auch bei Arzneimitteln, Bioziden und Chemikalien etabliert ist, wurde aktuell im Falle von Glyphosat vereinzelt kritisiert. „Wir respektieren und schätzen die Aufgabe von Vereinen, Organisationen und Medien, die Arbeit der wissenschaftlichen Behörden kritisch zu hinterfragen. Dies ist ein wichtiges Element eines demokratischen Systems“, sagt BfR-Präsident Professor Dr. Dr. Andreas Hensel. „Man tut aber dem öffentlichen Diskurs keinen Gefallen, wenn Wissenschaft diskreditiert wird und dies auf Unkenntnis der gesetzlichen nationalen und internationalen Verfahren beruht. In einigen Kreisen wird eine wissenschaftliche Bewertung nur noch akzeptiert, wenn die Erkenntnisse die eigene Agenda stützen. Genau deshalb hat man das BfR als unabhängige und unparteiische Institution für die wissenschaftliche Politikberatung gegründet.“ Auch die wiederholt vorgebrachte Forderung, dass Bewertungsbehörden eigene Experimente durchführen sollten, ist in den gesetzlich vorgeschriebenen Abläufen nicht vorgesehen.
Das BfR hat seine Bewertung von Glyphosat entsprechend der gesetzlichen Vorgaben durchgeführt. Ebenso haben die anderen deutschen Behörden Julius-Kühn-Institut (JKI), Umweltbundesamt (UBA) sowie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ihre Zuarbeit für den Renewal Assessment Report (RAR) auf Basis des Dossiers der Antragsteller erstellt. Dieser RAR wurde der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) als koordinierender Behörde für die nachfolgenden Verfahrensschritte zur Verfügung gestellt. Das Verfahren der EU-Wirkstoffprüfung sieht vor, dass der RAR nach einer öffentlichen Konsultation und fachlichen Prüfung von jedem einzelnen EU-Mitgliedsstaat geprüft, überarbeitet, gemeinsam diskutiert und von der EFSA verabschiedet und veröffentlicht wird. Dieses Verfahren wurde in der EU auch für alle anderen mehr als 450 bislang genehmigten Pflanzenschutzmittelwirkstoffe gleichartig praktiziert.
Alleiniges Kriterium für die Berücksichtigung von Studienergebnissen ist die wissenschaftliche Qualität und Evidenz der Studien. Mögliche Interessen der Auftraggeber, der Politik oder anderer Interessengruppen können und dürfen bei einer wissenschaftlichen Bewertung keine Rolle spielen. Die fachliche Auseinandersetzung mit Quellen, die von den Antragstellern der Industrie (Glyphosat Taskforce) vorgelegt wurden, gehört somit zum gesetzlich vorgeschriebenen Bewertungsprozess.
In den gesetzlichen Verfahren zur gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln, Biozidprodukten, Arzneimitteln und zahlreichen anderen Chemikalien ist es vorgeschrieben, dass ein Hersteller auf eigene Kosten ein definiertes Spektrum an experimentellen Prüfungen durchführen muss. Neben diesen Studien ist den Bewertungsbehörden auch ein zusammenfassendes Dossier vorzulegen. Dabei sind neben Prüfvorschriften (z.B. der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD) und Qualitätssicherungen (z.B. Gute Laborpraxis, GLP) auch etablierte, international anerkannte toxikologische Standardverfahren zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind frei zugängliche wissenschaftliche Veröffentlichungen in die Bewertungsberichte der Behörden aufzunehmen und darzustellen. Die Bewertungsbehörden führen gemäß den gesetzlich vorgeschriebenen Abläufen keine eigenen Experimente durch.Das BfR hat keineswegs, wie im Falle von Glyphosat von vereinzelten Kreisen behauptet, die Sicht der Antragsteller und deren Interpretation entsprechender Studien unkritisch und ungeprüft übernommen.
Sämtliche Bewertungsbehörden europa- und weltweit, denen die Originaldaten vorlagen, kommen nach eigener Bewertung mittels etablierter international anerkannter toxikologischer Standardverfahren ebenfalls zu dem Schluss, dass Glyphosat nach derzeitigem Stand des Wissens nicht als krebserregend einzustufen ist.
Dazu gehören:
- die Europäische Behörde für Lebensmittelsichert (EFSA) sowie die Expertinnen und Experten der Risikobewertungsbehörden der EU-Mitgliedstaaten
- die US-amerikanische Umweltbehörde EPA
- die kanadische Bewertungsbehörde Pest Management Regulatory Agency (PMRA)
- die australische Bewertungsbehörde Australian Pesticides and Veterinary Medicines Authority (APVMA)
- die japanische Food Safety Commission
- die neuseeländische Umweltbehörde EPA
- das Joint FAO/WHO Meeting on Pesticide Residues (JMPR) und
- die Europäische Chemikalienagentur (ECHA)
Über das BfR
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.
In diesem Jahr feiert das BfR sein 15-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass hat das BfR eine Jubiläumsbroschüre herausgegeben, die unter /en/broschueren-660.html kostenlos heruntergeladen oder bestellt werden kann.