Fragen und Antworten zu Phthalat-Weichmachern
FAQ des BfR und des Umweltbundesamtes (UBA) vom 7. Mai 2013
Phthalate sind chemische Verbindungen, die als Weichmacher für Kunststoffe eingesetzt werden. Es gibt verschiedene Phthalate mit unterschiedlichen gesundheitsschädlichen Wirkungen - einige wirken beispielsweise auf das Hormonsystem, andere auf die Leber. Für die verschiedenen Phthalate gibt es unterschiedliche Grenzwerte, um die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen. In manchen Produkten wie in Spielzeug, Babyartikeln, Kosmetika oder Lebensmittelverpackungen ist der Einsatz einiger Phthalate verboten.
Das Umweltbundesamt (UBA) beobachtet seit Jahren regelmäßig die Phthalatbelastung der Menschen in Deutschland. Eines der am häufigsten verwendeten und im Urin nachgewiesenen Phthalate war lange Zeit DEHP. Hauptaufnahmequelle sind Lebensmittel. Kleinkinder nehmen DEHP zusätzlich zur Nahrung über Hausstaub auf und über viele Dinge, die sie in den Mund stecken.
Die Aufnahme des Weichmachers DEHP lässt sich im Alltag durch einfache Verzehrs- und Hygieneregeln reduzieren. Wer sich abwechslungsreich ernährt, Speisen frisch zubereitet, wenig Fertigprodukte zu sich nimmt, sowie Produktmarken öfter wechselt (gleiche Produkte können je nach Hersteller unterschiedliche Mengen an DEHP enthalten) nimmt nachweislich weniger DEHP auf. Um die Aufnahme der Chemikalie über den Hausstaub zu verringern, sollten Böden und Teppiche regelmäßig gereinigt werden. Eltern können ihre Kinder schützen, indem sie darauf achten, dass Kleinkinder nur Sachen in den Mund stecken, die dafür hergestellt und gedacht sind.
Was sind Phthalate, wozu dienen sie?
Phthalate sind Verbindungen der Phthalsäure (1,2-Benzoldicarbonsäure) mit verschiedenen Alkoholen (Phthalsäureester).
Phthalate werden vor allem als Weichmacher für Kunststoffe eingesetzt. Erst ihre Zugabe verleiht dem an sich harten und spröden Kunststoff Polyvinylchlorid (PVC) elastische Eigenschaften und ermöglicht, dass er als Weich-Kunststoff eingesetzt wird. Die chemische Industrie produziert in Westeuropa jährlich rund eine Million Tonnen Phthalate. Mehr als 90 % gehen in die Produktion des Weich-PVC. Sie werden z.B. in Kabeln, Folien, Fußbodenbelägen, Schläuchen, Tapeten, Sport- und Freizeitartikeln eingesetzt.
Welche Phthalate werden häufig in Kunststoffen verwendet?
- Di-isodecylphthalat (DIDP)
- Di-isononylphthalat (DINP)
- Di(2-ethylhexyl)phthalat (DEHP)
- Dibutylphthalat (DBP)
- Di-isobutylphthalat (DIBP)
- Benzylbutylphthalat (BBP)
- Di(2-propylheptyl)phthalat (DPHP)
DEHP war lange Zeit das am häufigsten verwendete Phthalat. Wegen seiner fortpflanzungsgefährdenden Eigenschaften und der diesbezüglichen öffentlichen Diskussion ersetzte die Industrie in den vergangenen Jahren DEHP teilweise durch die toxikologisch weniger bedenklichen Phthalate DINP und DIDP. DINP und DIDP sind gegenwärtig die in Westeuropa am meisten verwendeten Weichmacher. Bei ungefähr gleich bleibendem Weichmachergesamtverbrauch stieg ihr Anteil von 35 % im Jahr 1999 auf 67 % im Jahr 2008. Der Anteil von DEHP fiel nach Angaben der Aktionsgemeinschaft PVC und Umwelt im selben Zeitraum von 42 % auf 17,5 %.
Gehen von Phthalaten gesundheitliche Risiken aus?
Die verschiedenen Phthalate haben unterschiedliche Wirkungen auf den Organismus. Einige Vertreter dieser Stoffgruppe werden als endokrine Disruptoren bezeichnet, die durch Veränderung des Hormonsystems die Gesundheit schädigen können. Einige Phthalate können beispielsweise die männliche Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) stuften beispielsweise die Phthalate DEHP, DBP, DiBP und BBP als fortpflanzungsgefährdend ein. Di(2-propylheptyl)phthalat (DPHP) wirkt im Tierversuch schädigend auf die lebenswichtige Hormondrüsen Schilddrüse und die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse). Diese steuert wichtige Körperfunktionen und kontrolliert das Hormonsystem des Körpers. Bei DINP und DIDP steht die lebertoxische Wirkung im Vordergrund. Für die verschiedenen Phthalate gibt es unterschiedliche Grenzwerte, um die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen. In manchen Produkten ist der Einsatz einiger Phthalate auch verboten.
Bislang beziehen sich die Bewertungen der EU jeweils auf einzelne Stoffe. Das mögliche Zusammenwirken mehrerer Phthalate wird nicht bewertet. In jüngster Zeit setzt sich allerdings die Auffassung durch, dass bestimmte Phthalate als Gruppe bewertet werden sollten, weil sich ihre Wirkungen addieren können.
Wieso sind Lebensmittel und Hausstaub mit Phthalaten belastet?
Phthalate sind in Weich-PVC chemisch nicht fest gebunden. Sie können aus Produkten ausdünsten oder im Kontakt mit Lebensmitteln - vor allem mit Fetten und Ölen - in diese übergehen. Derartige Übergänge finden statt, wenn Lebensmittel in Materialien aus Weich-PVC verpackt werden. Phthalate können auch während der Verarbeitung in die Lebensmittel gelangen, z.B. wenn Öl durch phthalathaltige PVC-Schläuche geleitet wird. In den Hausstaub gelangen Phthalate vor allem durch mechanische Belastung, z.B. aus Bodenbelägen, und durch Ablagerung nach Ausdünsten, z.B. aus Tapeten.
Phthalate werden mittlerweile überall in der Umwelt nachgewiesen. Laut EU gelangen rund 95 % des DEHP während der Produktnutzung und -entsorgung und nur etwa 5 % über die Produktion und Verarbeitung in die Umwelt.
Besteht ein gesundheitliches Risiko für Verbraucherinnen und Verbraucher durch die Phthalataufnahme aus Lebensmitteln und anderen Quellen?
Das BfR hat die DEHP-Aufnahme, stellvertretend für weitere Phthalate, abgeschätzt. Dazu wurden Daten zum Verzehrsverhalten von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in Deutschland sowie die verschiedenen Aufnahmepfade über 37 Lebensmittelgruppen, Spielzeug, Verbraucherprodukte aus Kunststoffen (wie Schuhe, Kosmetika und Textilien), Hausstaub und die Innenraumluft von Autos berücksichtigt.
Das Ergebnis: Verbraucherinnen und Verbraucher nehmen DEHP hauptsächlich oral auf - Hauptaufnahmequelle sind Lebensmittel. Die Aufnahmemengen von DEHP aus den verschiedenen Eintragsquellen sind aber in der Regel so gering, dass kein Gesundheitsrisiko besteht. Sie liegen unterhalb der Menge, die täglich ein Leben lang ohne gesundheitliches Risiko aufgenommen werden kann, ohne dass eine gesundheitsschädliche Wirkung eintritt.
Kinder, insbesondere Kleinkinder, können mit DEHP stärker belastet sein als Jugendliche und Erwachsene. Sie nehmen Weichmacher nicht nur über die Nahrung, sondern auch vermehrt über den Hausstaub auf sowie über viele Dinge, die sie in den Mund stecken. Untersuchungen im Rahmen des Kinder-Umwelt-Surveys des UBA zeigten, dass sich im Zeitraum 2003 bis 2006 in nahezu allen Urinproben Abbauprodukte von Phthalaten nachweisen ließen. Bei 1,5 % der Kinder war die Konzentration so hoch, dass eine gesundheitliche Beeinträchtigung nicht mehr mit ausreichender Sicherheit auszuschließen war. Die Expositionsschätzungen des BfR aus dem Jahr 2012 bestätigten diese Ergebnisse. Demnach kann im ungünstigen Fall ein Gesundheitsrisiko bestehen, insbesondere wenn Lebensmittel mit dauerhaft sehr hohen DEHP-Gehalten verzehrt werden.
- Presseinformation: Weichmacher DEHP wird hauptsächlich über Lebensmittel aufgenommen
- Phthalat-Belastung der Bevölkerung in Deutschland: Expositionsrelevante Quellen, Aufnahmepfade und Toxikokinetik am Beispiel von DEHP und DINP
Band I: Exposition durch Verzehr von Lebensmitteln und Anwendung von Verbraucherprodukten - Phthalat-Belastung der Bevölkerung in Deutschland: Expositionsrelevante Quellen, Aufnahmepfade und Toxikokinetik am Beispiel von DEHP und DINP
Anhang zu Band I: Datenbasis zur Exposition durch Lebensmittelverzehr und Verbraucherprodukte - Phthalat-Belastung der Bevölkerung in Deutschland: Expositionsrelevante Quellen, Aufnahmepfade und Toxikokinetik am Beispiel von DEHP und DINP
Band II: Ergänzende Messungen von DEHP, DINP und DiNCH in Lebensmitteln und Migrationsmessungen in Verbraucherprodukten - Phthalat-Belastung der Bevölkerung in Deutschland: Expositionsrelevante Quellen, Aufnahmepfade und Toxikokinetik am Beispiel von DEHP und DINP
Band III: Humane Toxikokinetikstudie
Zu der Belastung mit DEHP kommt die Belastung mit anderen Phthalaten, die ähnliche Wirkungen haben können, und damit das Gesundheitsrisiko erhöhen können.
Wird die Phthalatbelastung der deutschen Bevölkerung regelmäßig beobachtet?
Das Umweltbundesamt führt regelmäßig Studien durch, in denen die Abbauprodukte von Phthalaten in Urinproben von Kindern und Erwachsenen gemessen werden. In der Umweltprobenbank des Bundes wurden in nahezu sämtlichen untersuchten Urinproben Abbauprodukte von Phthalaten nachgewiesen. Diese Ergebnisse stimmen mit den Untersuchungen in anderen Industrieländern überein.
Ziel der Umweltprobenbank ist u.a., die Wirksamkeit getroffener Maßnahmen zu überprüfen und ggf. weitere vorzuschlagen, um den Schutz der Bevölkerung und der Umwelt vor schädlichen Phthalaten zu verbessern. Die Untersuchungen zeigen, dass die Belastung junger Erwachsener in Deutschland mit einigen Phthalaten in den vergangenen zwanzig Jahren gesunken ist. Im Gegensatz dazu stieg die Belastung mit DINP, das als Ersatzstoff für DEHP eingesetzt wird, auf das Vierfache an. Mitte der 1990er Jahre erreichten die Messwerte für DEHP, BBP und DBP ihr Maximum. Die Konzentration von DIBP veränderte sich über den zwanzigjährigen Messzeitraum nicht.
Weitere Informationen zu den Phthalatmessungen der Umweltprobenbank des Bundes sind unter http://www.umweltprobenbank.de/de/documents/selected_results/16425 zu finden.
In welchen Produkten ist der Einsatz von Phthalaten verboten?
Aufgrund ihrer gesundheitsschädlichen Eigenschaften sind einige Phthalate in bestimmten Verbraucherprodukten verboten.
Die fortpflanzungsgefährdenden Phthalate DEHP, DBP und BBP sind in der EU seit 2005 generell in Babyartikeln und Spielzeug verboten. Weitere besorgniserregende Phthalate, die oft als Alternativen zu den bereits genannten eingesetzt werden, wie DINP, DIDP und DNOP (Di-n-octylphthalat) sind in Spielzeug und Babyartikeln, die von Kindern in den Mund genommen werden können, nicht zulässig.
Phthalate, die als fortpflanzungsgefährdend eingestuft wurden, dürfen gemäß der EU-Chemikalienverordnung REACH auch nicht in Gemischen, z.B. Lacken, Klebstoffen oder Duftstoffen, enthalten sein, die an die breite Öffentlichkeit verkauft werden.
Für die Verwendung von Phthalaten in Kunststoffverpackungen für Lebensmittel gelten zum einen bestimmte Grenzwerte für ihren Übergang auf das Lebensmittel, zum anderen bestehen bestimmte Einsatzbeschränkungen wie Verwendungsverbote, Verbote des Kontakts mit fetthaltigen Lebensmitteln sowie Säuglings- und Kleinkindnahrung.
Einige Phthalate, u.a. DEHP, BBP und DBP, dürfen laut Kosmetik-Verordnung der EU nicht in Kosmetika enthalten sein.
Können Lebensmittel durch Lebensmittelverpackungen aus Kunststoff wie Frischhaltefolie mit Phthalaten belastet sein?
In der Vergangenheit wurden Phthalate auch in Lebensmittelverpackungen wie z.B. Gläsern mit Twist-Off-Deckeln oder Folien verwendet. Aus diesen sind sie in die Lebensmittel übergegangen. Das BfR hat bereits 2005 empfohlen, dass DEHP nicht mehr in Materialien zur Lebensmittelverpackung eingesetzt werden darf. Seit 2007 gelten für bestimmte fortpflanzungsgefährdende Phthalate - wie DEHP - weitreichende Beschränkungen bezüglich ihrer Verwendung als Weichmacher in Lebensmittelverpackungen. Stattdessen werden andere Weichmacher oder Phthalate mit weniger gesundheitsschädigenden Eigenschaften für die Herstellung von Lebensmittelverpackungen eingesetzt.
Wie sieht es mit Ersatzstoffen aus?
Als Alternativen zur Verwendung von fortpflanzungsgefährdenden Phthalaten gibt es zahlreiche toxikologisch weniger bedenkliche Phthalate wie DINP und DIDP. Diese alternativen Stoffe haben einen höheren TDI (tolerierbare tägliche Aufnahme), d.h. die Menge, die ein Leben lang täglich ohne Gesundheitsrisiko aufgenommen werden kann, ist deutlich höher als bei dem Phthalat DEHP. Das gilt auch für zahlreiche Weichmacher aus anderen Stoffklassen wie epoxydierte Sojabohnenöle, Adipate, Citrate, Adipinsäurepolyester oder Cyclohexanoate.
Für alle genannten Substanzen wurden z.B. im Rahmen ihrer Verwendung in Kunststoffen für den Lebensmittelkontakt gesundheitliche Bewertungen durchgeführt, aus denen Grenzwerte für ihren gesundheitlich unbedenklichen Übergang auf Lebensmittel abgeleitet wurden.
Wer überwacht die Verbote für fortpflanzungsschädigende und weitere besorgniserregende Phthalate?
Für die Überwachung der Verbote sind in Deutschland die Überwachungsbehörden der Bundesländer zuständig. Diese sind meist in den Umwelt- oder Verbraucherschutzministerien der Länder angesiedelt.
Wie erfahre ich, ob Verbraucherprodukte fortpflanzungsschädigende Phthalate enthalten?
Bei Verbraucherprodukten haben Verbraucherinnen und Verbraucher die Möglichkeit, beim Hersteller, Importeur oder Handel nachzufragen, ob fortpflanzungsschädliche Phthalate enthalten sind. Das UBA hat mit der Internetseite http://www.reach-info.de/auskunftsrecht.htm ein entsprechendes Antragsformular zur Verfügung gestellt. Verbraucher und Verbraucherinnen brauchen lediglich den Strichcode auf dem Produkt anzugeben. Eine Antwort muss innerhalb von 45 Tagen erfolgen. Dieses Recht auf Information ermöglicht die EU-Chemikalienverordnung REACH. Dies gilt unabhängig von einem möglichen Kauf des Produkts.
Wie können sich Verbraucherinnen und Verbraucher vor einer hohen DEHP-Aufnahme schützen?
Alle Grundnahrungsmittel wie Fette, Brot, Obst, Gemüse und Milch bzw. Milchprodukte können Weichmacher enthalten. Verbraucherinnen und Verbraucher können nicht wissen, ob ein Lebensmittel belastet ist. Dies kann nur mittels einer labortechnischen Untersuchung feststellt werden. In der Regel enthalten Lebensmittel keine gesundheitsgefährdenden Konzentrationen.
Verbraucherinnen und Verbrauchern, die die Aufnahme des Weichmachers DEHP weiter reduzieren wollen, empfiehlt das BfR, sich abwechslungsreich zu ernähren, Speisen frisch zuzubereiten, wenig Fertigprodukte zu sich zu nehmen, sowie Produktmarken öfter zu wechseln, denn gleiche Produkte können je nach Hersteller unterschiedliche Mengen an DEHP enthalten.
Um die Aufnahme der Chemikalie über den Hausstaub zu verringern, sollten Böden und Teppiche regelmäßig gereinigt werden. Wichtig ist auch darauf zu achten, dass Kleinkinder nur Sachen in den Mund nehmen, die dafür hergestellt und gedacht sind. Obwohl DEHP in Spielzeug verboten ist, wird die Substanz gelegentlich in solchen Produkten nachgewiesen. Dies zeigen Meldungen des europäischen Schnellwarnsystems RAPEX. Auch ältere Spielzeuge, die vor Inkraft-Treten des Verbots auf dem Markt kamen, können eine mögliche Aufnahmequelle darstellen.