Wissenswertes über Rindertuberkulose in Deutschland

FAQ des BfR vom 28. Januar 2025
(Änderungen gegenüber der Version vom 17. Januar 2013: Einzelne Antworten wurden um weitere Informationen ergänzt.)

Seit dem Jahr 1997 ist Deutschland als amtlich frei von Rindertuberkulose anerkannt. Dies bedeutet, dass 99,9 Prozent der Rinderbestände in jedem Jahr und in den 10 Jahren vor der Anerkennung frei von Rindertuberkulose sind. Deutschland ist eines von 17 der 27 EU-Länder, dessen Rinderbestände offiziell als frei von Rindertuberkulose (OTF – officially bovine tuberculosis free) gelten. Dennoch treten vereinzelt Infektionen von Rindern mit Erregern des Mycobacterium tuberculosis - Komplex (MTBC) in Ländern mit OTF-Status – auch in Deutschland – auf. Zu dem MTBC gehören neben Mycobacterium tuberculosis weitere Spezies wie beispielsweise Mycobacterium bovis, Mycobacterium caprae sowie Mycobacterium microti, die auch auf den Menschen übertragen werden können.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat Fragen und Antworten zum gesundheitlichen Risiko erstellt, das von Lebensmitteln ausgehen kann, die von Rindern aus mit Tuberkulose belasteten Beständen gewonnen wurden. 

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Was ist Rindertuberkulose?

Tuberkulose ist eine bakterielle Infektionskrankheit, die durch bestimmte Mykobakterien ausgelöst wird. Die häufigsten Erreger der zoonotischen Rindertuberkulose sind Mycobacterium (M.) bovis subsp. bovis und M. bovis subsp. caprae. M. tuberculosis, der häufigste Erreger der Tuberkulose beim Menschen, wird nur sehr selten bei Rindern nachgewiesen, kann aber auch eine Erkrankung bei Tieren auslösen. In den letzten Jahren konnte zudem die direkte Übertragung von M. tuberculosis von Menschen auf Rinder belegt werden, was die One-Health Bedeutung der Rindertuberkulose hervorhebt.

Nach Aufnahme der Erreger des MTBC verläuft das Anfangsstadiums der Rindertuberkulose häufig ohne Krankheitssymptome und kann nur mit PCR-basierten Methoden nachgewiesen werden. Es folgt die Ausbreitung der Bakterien in unterschiedliche Körpergewebe, wobei sich die Bakterien zunächst in den Lymphknoten ansiedeln. Im Folgenden zeigt sich die Krankheit durch geschwulstartige Verdickungen in den betroffenen Lymphknoten und Organen der befallenen Tiere. Im weiteren Verlauf der Erkrankung sind die Tiere häufig geschwächt, verlieren Gewicht, zeigen eine erschwerte Atmung mit Husten und einen starken Leistungsabfall.

Das häufigste klinische Bild bei erkrankten erwachsenen Rindern ist eine Lungentuberkulose. Klinische Veränderungen können sich außer in der Lunge in Darm und Gebärmutter, aber auch in allen anderen Organsystemen ausbilden. Krankheitssymptome sind beispielsweise Koliken, Durchfall und Fehlgeburten. Bei einer Entzündung des Euters können die Mykobakterien mit der Milch ausgeschieden werden.

Auf welchem Weg können sich Rinder mit den Erregern infizieren?

Die Hauptübertragungswege sind Infektionen über Speichel, Sekrete der Atemwege (Tröpfchen) oder die Inhalation von Staub (aerogen). Auch die Übertragung über Futtermittel und Milch (oral), über Blut und andere Körperflüssigkeiten (Harn, Sperma) sowie über Wund- und Schmierinfektionen ist möglich.

Wie häufig tritt Rindertuberkulose in Deutschland auf?

Die Rindertuberkulose ist eine anzeigepflichtige Tierseuche. In Deutschland wurden viele Jahre lang Bekämpfungsprogramme durchgeführt, ehe die Rinderbestände seit dem Jahr 1997 als amtlich anerkannt frei von Tuberkulose gelten. Seitdem erfolgt die Überwachung durch routinemäßige Kontrollen im Rahmen der amtlichen Schlachttier- und Fleischuntersuchung, wobei gelegentlich infizierte Tiere festgestellt werden. Insgesamt wurden im Jahr 2022 in Deutschland Tuberkuloseausbrüche in vier Rinderherden gemeldet. Dies entspricht bundesweit einer Prävalenz infizierter Herden von <0,003 %. Die Infektionen waren sowohl auf M. bovis (n=1) als auch auf M. caprae (n=3) zurückzuführen.

Können sich auch andere Tierarten mit Mykobakterien infizieren?

Die Hauptverursacher der Rindertuberkulose, M. bovis und M. caprae, können bei vielen Wildtieren, aber auch bei Zoo- und Haustieren vorkommen, da eine wechselseitige Übertragung zwischen den Tierarten möglich ist. Wildtiere gelten als das Hauptreservoir für die Bakterien des MTBC, von denen eine Übertragung auf Nutztiere, aber auch Haustiere, wie Hunde oder Katzen, erfolgen kann. Letztere können sich bei Kontakt, z. B. mit Rindern, aerogen über die Atemluft oder oral durch kontaminierte tierische Materialien, z. B. rohes Futterfleisch, infizieren und an Tuberkulose erkranken.

M. bovis hat eine große Wirtstierbreite und kommt primär bei Rindern, aber auch - weniger häufig - bei Schafen, Ziegen, Schweinen, Lamas und Alpakas sowie Haustieren, meist Katzen und seltener Hunden, vor. Durch M. bovis verursachte Rindertuberkulose wurde in Zootieren z. B. in Primaten wie Löwenschwanzmakaken, Patas-Affen, Siamang-Gibbons, Pavianen und Colobus-Affen, sowie in Breitmaulnashörnern, Leoparden und Seelöwen nachgewiesen. M. caprae wurde zuerst aus Ziegen isoliert, aber nachfolgend auch in tuberkulös verändertem Gewebe anderer Nutztierarten, wie Rindern und Schweinen, und Wildtieren, wie Hirschen und vor allem Wildschweinen, nachgewiesen. Des Weiteren wurde M. caprae auch bei Kamelen und Bisons nachgewiesen.

Sind die Erreger der Rindertuberkulose auch für Menschen gefährlich?

Genau wie bei verschiedenen Tierarten eine wechselseitige Übertragung von Mykobakterien möglich ist, gilt dies auch für die Übertragung auf Menschen. Mykobakterien sind Zoonoseerreger, d. h. die Übertragung vom Tier auf den Menschen und umgekehrt ist möglich. Erreger des Mycobacterium tuberculosis - Komplex (MTBC) (u.a. M. tuberculosis und die für das Rind typischen Erreger vom Typ M. bovis und M. caprae) können beim Menschen eine Tuberkulose auslösen. Die Krankheitssymptome beim Menschen ähneln den Symptomen von Tieren mit Rindertuberkulose und manifestieren sich als Husten, leichtes Fieber und Müdigkeit sowie Gewichtsabnahme. Als besonders gefährdet gelten Kinder und ältere Menschen sowie Personen mit einem geschwächten Immunsystem, wobei schwere Krankheitsverläufe eine Ausnahme sind und insbesondere dann auftreten, wenn keine medikamentöse Behandlung stattfindet.

Die Übertragung kann direkt durch Kontakt mit infizierten und erkrankten Tieren oder auf alimentärem Weg, d. h. über den Verzehr kontaminierter Lebensmittel, erfolgen. Da M. bovis und M. caprae häufig auch in Ziegen und Schafen vorkommen, ist das Expositionsrisiko für Rindertuberkulose in Ländern, in denen diese einen Großteil der Nutztierbestände ausmachen, wie bspw. im Mittelmeerraum und im Nahen Osten, größer.

Deutschlandweit wurden insgesamt 4.076 Fälle humaner Tuberkulose im Jahr 2022 berichtet, wobei nur wenige Fälle durch M. bovis (n=43) verursacht wurden. Die Mehrzahl der humanen Tuberkulosefälle ist auf Reiseaktivitäten in das Ausland zurückzuführen.

Können pasteurisierte Milch und Milchprodukte aus pasteurisierter Milch Erreger der Rindertuberkulose enthalten?

Durch die Hitzebehandlung (Pasteurisierung/Hocherhitzung/Ultrahocherhitzung) von Rohmilch werden die Erreger abgetötet. Bei Trinkmilch, die auf diese Art behandelt wurde, sind gesundheitliche Beeinträchtigungen für den Menschen nicht zu erwarten. Das gilt auch für andere Milchprodukte, die aus pasteurisierter Milch hergestellt sind.

Können sich Verbraucher durch den Verzehr von roher Milch und Rohmilchprodukten mit Rindertuberkulose anstecken?

Mit Mykobakterien infizierte Kühe können die Erreger über die Milch ausscheiden. Das kann bereits der Fall sein, wenn die Tiere noch keine Krankheitssymptome zeigen. Auch eine fäkale Verunreinigung der Milch während des Melkvorgangs kann zu einer Belastung der Rohmilch mit den Bakterien führen. Es besteht die Möglichkeit, dass aus Tierbeständen, in denen die Bakterien unerkannt persistieren, Milch mit Mykobakterien in die Lebensmittelkette und damit zum Verbraucher gelangt. In diesem Fall würde die Abgabe von Rohmilch (direkt ab Hof) und Vorzugsmilch sowie ein Rohverzehr zu einer Übertragung von überlebensfähigen, infektiösen Mykobakterien auf den Verbraucher führen und die Gefahr einer Infektion bergen.

Die gesundheitliche Bedeutung von Mykobakterien bei der Herstellung von Käse aus Rohmilch ist in Abhängigkeit von der Käsesorte zu bewerten. Bei Rohmilchweichkäse oder Frischkäse ist mit einer längeren Überlebensphase der Mykobakterien zu rechnen als bei Schnitt- oder Hartkäse. Je länger die Reifungsdauer und je höher der Abtrocknungsgrad bei den Käsesorten sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Mykobakterien eliminiert werden. Auch die Höhe der Salzkonzentration, die pH-Wert-Entwicklung sowie der Einsatz von Milchsäurebakterien beeinflussen die Überlebensfähigkeit der Erreger.

Das Risiko einer Infektion des Menschen durch den Verzehr von Rohmilchhartkäse wie Emmentaler oder Bergkäse, der aus mit Mykobakterien verunreinigter Milch hergestellt wurde, schätzt das Bundesinstitut für Risikobewertung daher als sehr gering ein, insbesondere wenn der Käse über eine sehr lange Zeit gereift wurde.

Kann Rindertuberkulose über den Verzehr von Rindfleisch auf den Menschen übertragen werden?

Die Ansteckung des Menschen mit Mykobakterien des MTBC kann auch durch den Verzehr von nicht erhitztem Fleisch tuberkulöser Tiere erfolgen. Für den wenig wahrscheinlichen Fall, dass bei der amtlichen Fleischuntersuchung die charakteristischen Merkmale der generalisierten Tuberkulose in den Organen und den Lymphknoten nicht erkannt werden oder Schlachtkörper von gesunden Tieren mit solchen von infizierten Tieren in Kontakt gekommen sind, kann es vorkommen, dass mit Mykobakterien kontaminiertes Fleisch zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern gelangt. In der Regel wird Rindfleisch gegart verzehrt. Das BfR empfiehlt, beim Garen von Fleisch eine Temperatur von mindestens 70 °C für 2 Minuten an allen Stellen des Lebensmittels einzuhalten. Allerdings werden aus Rindfleisch auch Produkte erzeugt, die zumindest zum Teil roh verzehrt werden: So ist es besonders bei hochwertigen Teilstücken des Rindes üblich, diese beim Braten nur soweit zu erhitzen, dass sie beim Verzehr im Inneren noch „blutig“ sind, also roh oder nicht vollständig gegart. Weitere Beispiele für roh verzehrte Spezialitäten sind Rindertartar oder Schabefleisch, aus Rindfleisch hergestelltes Carpaccio oder luftgetrocknete Waren wie Bündner Fleisch. Auch Rinderwürste nach Salamiart sind Rohwaren, die ohne einen Erhitzungsschritt hergestellt werden. Die Überlebensfähigkeit der Erreger ist abhängig von der Reifezeit, dem Salzgehalt und der pH-Wert-Entwicklung in diesen Produkten.

Werden Rinder bei der Schlachttier- und der Fleischuntersuchung regelmäßig auf Tuberkulose-Erreger untersucht?

Die Tuberkulose der Rinder ist eine anzeigepflichtige Tierseuche. Es existieren strenge tierseuchen- und fleischhygienerechtliche Vorgaben. Sofern die Schlachttieruntersuchung in Verbindung mit den Informationen zur Lebensmittelkette den begründeten Verdacht auf Tuberkulose ergibt, ist ein Schlachtverbot auszusprechen. Besteht dieser Verdacht nicht, bietet die anschließende Fleischuntersuchung die Möglichkeit, Hinweise auf eine Tuberkulose am geschlachteten Rind zu finden.

Was geschieht, wenn bei Rindern der Verdacht auf Tuberkulose besteht?

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Als anzeigepflichtige Krankheit ist die Handhabe der Rindertuberkulose in der "Verordnung zum Schutz gegen die Tuberkulose des Rindes – (Tuberkulose-Verordnung)" in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. März 1997 (BGBl. IS. 462) in der jeweils geltenden Fassung festgeschrieben.

Gemäß Tuberkulose-Verordnung gilt, dass bei Feststellung pathologisch-anatomischer Veränderungen, die auf Tuberkulose hindeuten, diese auch labordiagnostisch zu untersuchen sind. Der betroffene Tierkörper darf solange nicht aus der Schlachtstätte verbracht werden, bis das Untersuchungsergebnis mitgeteilt wurde. Für Tiere, die nachweislich positiv auf Mykobakterien des MTBC getestet wurden oder wenn andere Gründe für einen Infektionsverdacht vorliegen, müssen diese Tiere getrennt von anderen Tieren geschlachtet werden. Auch müssen Vorkehrungen getroffen werden, um eine Kontamination anderer Schlachttierkörper, der Schlachtlinie und des Schlachthofpersonals zu vermeiden. Sämtliches Fleisch von Tieren, bei denen im Rahmen der Fleischuntersuchung an mehreren Organen oder Körperteilen lokalisierte Tuberkuloseläsionen festgestellt wurden, ist für genussuntauglich zu erklären. Milch und Milchprodukte sowie Fleisch und Fleischprodukte von nachweislich infizierten Tieren gelangen nicht in die Lebensmittelkette, sondern werden unschädlich beseitigt. Wird jedoch in den Lymphknoten nur eines Organs oder Körperteils eine einzelne Tuberkuloseläsion festgestellt, muss nach EU-Recht nur das befallene Organ oder der befallene Körperteil und die dazugehörigen Lymphknoten für genussuntauglich erklärt werden.

Werden Rinderbestände regelmäßig auf Tuberkulose-Erreger untersucht?

Ein regelmäßiges Monitoring-Programm zur Überprüfung von Tierbeständen auf Tuberkulose gibt es in Deutschland seit der Erlangung des OTF-Status nicht mehr. Wird bei einer labordiagnostischen Untersuchung Tuberkulose festgestellt, ist dieser Befund der für den Herkunftsbestand zuständigen Behörde mitzuteilen. Die Behörde kann dann Vorgaben für den Transport von Rindern aus diesem Bestand zur sofortigen Schlachtung erlassen.

Können sich Verbraucherinnen und Verbraucher durch den Verzehr von roher Milch und Rohmilchprodukten mit Rindertuberkulose anstecken?

Mit Mykobakterien infizierte Kühe können die Erreger über die Milch ausscheiden. Dies kann bereits vor dem Auftreten von Krankheitssymptomen erfolgen. Auch eine fäkale Verunreinigung (Kontamination) der Milch während des Melkvorgangs kann zu einer Belastung der Rohmilch mit den Bakterien führen. Daher kann aus Tierbeständen, in denen die Bakterien unerkannt persistieren, mit Mykobakterien kontaminierte Milch in die Lebensmittelkette und damit zu Verbraucherinnen und Verbrauchern gelangen. In diesem Fall würde die Abgabe von Rohmilch – entweder direkt ab Hof oder als Vorzugsmilch - mit anschließendem Rohverzehr zu einer Übertragung von überlebensfähigen, infektiösen Mykobakterien auf Verbraucherinnen und Verbraucher führen und die Gefahr einer Infektion bergen. Die gesundheitliche Bedeutung von Mykobakterien bei der Herstellung von Käse aus Rohmilch ist in Abhängigkeit von der Käsesorte zu bewerten. Bei Rohmilchweichkäse oder Frischkäse ist mit einer längeren Überlebensphase der Mykobakterien zu rechnen als bei Schnitt- oder Hartkäse. Je länger die Reifungsdauer und je höher der Abtrocknungsgrad bei den Käsesorten sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Mykobakterien eliminiert werden. Auch die Höhe der Salzkonzentration, die pH-Wert-Entwicklung sowie der Einsatz von Milchsäurebakterien beeinflussen die Überlebensfähigkeit der Erreger. Das Risiko einer Infektion des Menschen durch den Verzehr von Rohmilchhartkäse wie Emmentaler oder Bergkäse, der aus mit Mykobakterien verunreinigter Milch hergestellt wurde, schätzt das BfR daher als sehr gering ein, insbesondere wenn der Käse über eine sehr lange Zeit gereift ist.



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